Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus in Swisttal und Rheinbach

27.01.2022

Die Stolpersteine auf unseren Straßen bezeichnen Wunden

In Stille haben die Gemeinde Swisttal und die Stadt Rheinbach der Mitmenschen gedacht, die Opfer der Entmenschlichung des NS-Regimes wurden. Der bundesweite Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus war am heutigen Donnerstag, 27. Januar 2022, Anlass des Innehaltens und der Ehrerweisung auf dem Jüdischen Friedhof am Heimerzheimer Dornbuschweg und im Innenhof des Rheinbacher Rathauses. In nächster Nachbarschaft des Rathauses in der Schweigelstraße stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde in Rheinbach, die in der Brutalität der Novemberpogrome des Jahres 1938 niedergebrannt wurde.

Aufgrund des anhaltenden Pandemiegeschehens konnte das Gedenken in Swisttal und in Rheinbach zum zweiten Mal in Folge nicht öffentlich stattfinden. Im jeweils kleinen Kreis legten Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner und Bürgermeister Ludger Banken, an der Seite von Oliver Krauß, Blumenschmuck nieder. Gemeinsam mit Repräsentanten, die zu der örtlichen Erinnerungskultur in besonderer Beziehung stehen, verharrten sie in Demut und Respekt vor den Verfolgten und Ermordeten.

Seit dem Jahr 1996 wird der 27. Januar eines jeden Jahres deutschlandweit als „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ begangen. Er ist allen gewidmet, die in der Zeit des Regimes gequält, gehetzt und in den Tod getrieben wurden. Der 27. Januar ist das Tagesdatum, an dem im Jahr 1945 das Konzentrationslager Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit wurde. Alleine in Auschwitz sind mehr als 1,1 Millionen jüdische Mitmenschen umgebracht worden.

Oliver Krauß hat seine Abgeordnetentätigkeit und sein Engagement im Rhein-Sieg-Kreis von Anfang an mit dem Eintreten für das gemeinsame Erinnern verbunden, das, nach den Worten Roman Herzogs, zum Nachdenken über das Geschehene führen und „eine Wiederholung – wo und in welcher Form auch immer“ – verhindern soll. Eine Aufgabe die unteilbar ist, so der Landtagsabgeordnete:

„Frau Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner und Herrn Bürgermeister Ludger Banken bin ich sehr verbunden, dass sie das Gedenken an den zentralen Orten auch in der schweren Zeit der Pandemie aufrechterhalten. Wir können uns nur wünschen, dass im kommenden Jahr wieder das Zusammenstehen in der großen menschlichen Gemeinschaft möglich wird. Die Trauer, die in der Geschichte unserer Ortschaften aufgehoben ist, berührt uns alle: um die Lebensgeschichten, die niemals vollendet werden, um Mord und Verbrechen, die nie wieder gut zu machen sind, um das Leid der Hinterbliebenen. Die Stolpersteine auf unseren Straßen sind bezeichnend für viele Wunden.“

Sorge um diese „Tiefenschicht der Solidarität“ kann und darf nie enden

Was in den zwölf Jahren zwischen 1933 und 1945 in Deutschland geschehen ist, könne nie zu geschichtlichen Akten gelegt werden, betont der Abgeordnete aus Alfter. Anlässlich des Gedenkens in Swisttal und Rheinbach griff er einen Gedanken des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas auf: „Hier ist an eine tiefe Schicht der Solidarität zwischen allem, was Menschenantlitz trägt, gerührt worden; die Integrität dieser Tiefenschicht hatte man bis dahin [...] unbesehen unterstellt.“

Die Sorge um diese „Tiefenschicht der Solidarität“ kann und darf nie wieder enden, macht Oliver Krauß deutlich. Anhand der Geschichtsschreibung und Heimatforschung verweist er auf sämtliche Lebensbereiche, in die der Nationalsozialismus eindrang und in denen er Zivilisation hat zerbrechen lassen: „Familienmitglieder haben sich gegeneinander gerichtet, Widerstandskraft ist zerschellt an Zynismus und Menschenverachtung, die bis zum Äußersten gingen.“

Die Einrichtung einer Außenstelle des „Gesundheitsamtes Bonn-Land“, ebenfalls in nächster Nachbarschaft des Rheinbacher Rathauses, war Baustein eines Systems, in dem Begriffe der Menschlichkeit verkehrt und dem Rassenwahn ausgeliefert wurden. Mindestens 147 Mitmenschen sind an Rhein und Sieg Opfer der sogenannten „Euthanasie“, des willkürlichen Mordes aufgrund selbstgemachter Kriterien, geworden, zitiert Oliver Krauß jüngere Forschungsergebnisse: „mehr als 1.000 Sterilisationen, 3.000 Anzeigen von Mitmenschen, die als ‚erbkrank‘ herabgewürdigt wurden.“

Geschichtsforschung hat gezeigt, dass Widerstand gegen die Verbrechen des Nationalsozialismus „ohne aktive Massenunterstützung“ geblieben ist. Oliver Krauß zitiert den britischen Historiker Sir Ian Kershaw: „Das NS-Regime hat – bis tief in den Krieg hinein – einen hohen Grad von Popularität genossen.“ Ohne „wesentliche Unterstützung durch die Bevölkerung“ arbeitete der Widerstand ehrenvoll, „aber politisch so gut wie völlig wirkungslos.“

Gerade in einer Zeit, in der nicht nur die letzten Täter, sondern auch die letzten Zeitzeugen in den nächsten Jahren versterben werden, ist das Sichtbarmachen von Vernichtungsenergie und menschlichem Leid unverzichtbar. Dazu gehöre auch, dass die deutsche Justiz noch heute NS-Verbrecher zur Verantwortung zieht, wodurch den Opfern und ihren Angehörigen – wenn auch spät – zumindest ein wenig Gerechtigkeit widerfahre. „Die emotionale Berührung und die geistige Auseinandersetzung, die von der Erinnerung ausgeht, müssen dem verantwortlichen zukünftigen Leben unausgesetzt dienen. Dass antisemitische Straftaten in der Bundesrepublik zuletzt um 15,7 Prozent gestiegen sind, ist ein alarmierendes Signal. Die Pandemie schafft neuen Irrationalismus, Ressentiment, Auseinanderdriften.“

Umso mehr sei die gemeinsame Erinnerungsarbeit nach der Pandemie herbeizuwünschen: „mit den Schülerinnen und Schülern, die Erinnerungsarbeit so wertvoll leisten und Courage zeigen, mit den Kirchen, Verbänden und Vereinen, die das wache Bewusstsein tragen, mit den Vertreten aller unserer demokratischen Parteien.“