Naturschutz und Landwirtschaft nicht gegeneinander ausspielen

27.05.2020

Proteste gegen Schlussfolgerungen des Berichts „Die Lage der Natur in Deutschland“ – Oliver Krauß: Wer ein Gegeneinander konstruiert, leistet der Schöpfung einen Bärendienst

Der Deutsche Bauernverband, DBV, äußert Zweifel und Unverständnis. Die Bewegung Land schafft Verbindung, LsV, ruft zur öffentlichen Aktion auf. „Allgemeine und vor allem eindimensionale Schuldzuweisungen aus dem Bundesumweltministerium helfen der Artenvielfalt nicht“, macht Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, deutlich. Im Raum steht der Vorwurf, dass eine aktuelle Studie aus dem Bundesumweltministerium“ die „Schuld für Umweltprobleme“ hauptsächlich der Landwirtschaft zudiktiert. Diese Studie zu der „Lage der Natur in Deutschland“ hatte die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Svenja Schulze (SPD), am 19. Mai 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt.

In die inhaltliche Auseinandersetzung um die Schlussfolgerungen des Berichts hat sich der Landtagsabgeordnete Oliver Krauß eingeschaltet: „Eine einseitige Lesart ist schlimm. Sie wird von denen als Verunglimpfung empfunden, die mit ihren Leistungen tagtäglich sicherstellen, dass wir vielfältige, hochwertige Lebensmittel haben wie kaum an anderen Orten der Welt.“

Dies habe die Corona-Krise gerade erst vor Augen geführt, argumentiert der Politiker: „Insgesamt sehe ich kaum Berufe, die sich in der Dynamik von Natur und Gesellschaft so behaupten müssen, in der Konkurrenz von Märkten, in Anbetracht von Klimaveränderungen, als leistungsstarke Arbeitgeber in meiner Heimat und in der ganzen Republik. Über die Jahrhunderte hinweg haben Familien in der Land- und Forstwirtschaft die Ärmel hochgekrempelt und unsere Kulturlandschaften sowie unsere Lebensräume geprägt. Wenn der Bericht aus dem Ministerium jetzt so zu lesen ist, dass die Landwirtschaft dem Naturschutz zuwiderhandelt, ist das ein Bärendienst, dann werden Zusammenhänge auf den Kopf gestellt.“

Der Bericht „Die Lage der Natur in Deutschland“ wird alle sechs Jahre neu erarbeitet. Herausgeber sind aktuell das BMU und das Bundesamt für Naturschutz. Die gewonnenen Daten sollen eine Bewertung wesentlicher Bestandteile unserer biologischen Vielfalt in der Bundesrepublik ermöglichen. Zu der Datensammlung tragen Behörden, aber auch ehrenamtliche Naturschützer bei.

Der 2020-er Bericht von Bundesministerin Schulze, die in den Jahren 2010 bis 2017 NRW-Wissenschaftsministerin in den Kabinetten von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war, kommt zu einem differenzierten Bild. Er dokumentiert große Probleme für Schmetterlinge und andere Insektenarten, die auf blütenreiche Wiesen und Weiden angewiesen sind. Bei Vogelarten werden starke Verluste registriert, mit der beispielhaften Feststellung, „dass Offenlandarten wie Braunkehlchen, Rebhuhn, Kiebitz und Turteltaube nicht nur im Bestand zurückgehen, sondern auch ihre Vorkommensgebiete im gleichen Zeitraum verringert haben und zum Teil einen starken Rückzug aus der Fläche erlitten haben.“

Und selbst wenn gegenläufige Trends vermeldet werden – zum Beispiel mit positiven Entwicklungen bei den Buchenwäldern, mit erfolgreicher Renaturierung, mit zuletzt mehr Vögel-Brutpaaren in Wald und Siedlung: Die großen Investitionen, die Land und Bund in Naturschutzprogramme tätigen, werden in dem Bericht von Ministerin Schulze höchstens bedingt sichtbar. Es ist eine überaus große, kluge und gemeinschaftliche Anstrengung erforderlich, um die Artenvielfalt in der Natur, den Reichtum der Pflanzen, die Tiere als die Mitgeschöpfe des Menschen zu schützen.

In diesem Interesse sind Effekte völlig gegenläufig, wie sie die Landwirte nun in dem Bericht „Die Lage der Natur in Deutschland“ erkennen. Denn die Autoren ordnen „Treiber auf die Art und Intensität der Landnutzung insbesondere der „intensive[n] Landwirtschaft“ zu, weithin nach der Lesart, dass hier pauschal geurteilt wird. Beispielhaft wird die „Fachgruppe Agrarvögel der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft“ zitiert, die „zu dem Schluss“ komme, „dass die wesentlichen Ursachen für die Bestandsrückgänge von Vogelarten der Agrarlandschaft [!] die fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft [!]“ darstelle.

Dass in Naturschutzgebieten ein Rückgang von Insekten zu registrieren ist, wird allerdings nicht aus der Binnensituation – nach dem Muster: in der Agrarlandschaft ist die Agrarwirtschaft verantwortlich – erklärt. Vielmehr werden in diesem Fall die „äußeren Einflüsse wie z. B. Düngeeinträgen oder Abdrift von Pflanzenschutzmitteln aus umliegenden Flächen“ als erheblich angesehen – und: „Daneben ist in vielen Schutzgebieten konventionelle Landwirtschaft [!] zumindest auf Teilflächen weiterhin erlaubt, was häufig mit den Schutzzielen kaum mehr vereinbar“ sei.

Aus Sicht von Oliver Krauß ist es dringend geboten, dass – so triftig sich das Gesamtbild ausnehme – solche einsinnigen Deutungsebenen ausgeräumt werden: „Unsere Landwirte leisten in vorderster Linie Dienst für den Natur-, den Klimaschutz und unsere Lebensqualität. Dazu müssen sie viele Auflagen und Nachteile in der internationalen Konkurrenz in Kauf nehmen.

Der ländliche Raum ist Lebens- und Arbeitswelt für uns, kein Freilichtmuseum. Um ihn im Strukturwandel zu schützen, müssen wir uns als achtsame Partner zusammentun: mit fairen Preisen für hervorragende Produkte, mit Unterstützung und Planungssicherheit. Ohne die Hilfe der Landwirtschaft, in einem Gegeneinander, werden sich unsere Naturräume, die Äcker, Gärten und Wiesen, kaum erhalten lassen.“

Ein gemeinsames Vorgehen – mit der Landwirtschaft, mit den Naturschutzverbänden, in gegenseitiger Wertschätzung und mit dem Austausch der Expertise – sieht Oliver Krauß als den besten Dienst an der Zukunftsvorsorge: „Dazu gehört, anstatt reflexhaft auf Beschränkungen für die Landwirtschaft zu setzen, die Ursachenforschung weitsichtig zu orientieren, ergebnisoffen: auch mit dem Blick in die städtischen Räume, mit dem Einbeziehen von Dürre und Trockenheit als dazukommende Phänomene.“