Von den Kirchenfesten im Monat November gehen neuer Mut und neuer Ernst aus, aneinander zu denken

03.11.2021

Ankündigung des Erzbistums, die Förderung von Vertragsbüchereien aufzugeben: gegen wirtschaftliches Risiko steht der bessere gesellschaftliche Grund

Die kirchlichen Feiertage im Monat November senden helle Signale. Die Lichterflut auf den Friedhöfen an den Hochfesten Allerheiligen und Allerseelen, die Laternen und Martinsfeuer, der Glanz des Auferstehungsglaubens, der über dem Ewigkeitssonntag liegt: Diese kirchlichen Feste sind Feste nicht für Tote, sondern für die Lebenden, im Himmel und auf der Erde.

Am 31. Oktober 2021 ist nach langer Bauzeit das Bonner Münster wiedereröffnet worden. In dem Festhochamt am Vorabend von Allerheiligen hat Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken seine Predigt mit Worten offener Freude eingeleitet: „Der Raum ist von Licht erfüllt, unsere Basilika bis auf den Platz besetzt. Wir spüren eine Stimmung von Freude und Zusammenhalt.“ Um dann aber einzuwenden: „Das kommt einem ungewohnt, dem äußeren Betrachter vielleicht sogar grotesk vor.“

Die Pandemie, Verfehlungen, schwerste Vergehen: Der Stadtdechant benannte die kritische Situation der katholischen Kirche in der Bundesrepublik, die ebenso wie die evangelische Kirche in erschreckender Zahl mit Kirchenaustritten konfrontiert ist. Er schloss an: „Es ist deshalb wichtig und dringend geboten, dass wir als Kirche unsere Lähmung überwinden und endlich wieder auf die Welt zugehen. Es nicht zu tun, erfüllt, verzeihen sie [.] diese Klarheit, den Straftatbestand unterlassener Hilfeleistung.“

 

Fast gleichzeitig – leider waren die beiden Kirchenfeiern nicht besser aufeinander abgestimmt – predigte in der Kreuzkirche am Bonner Kaiserplatz Dr. Thorsten Latzel. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland wies eine Perspektive, was es heute ausmacht, im evangelischen Sinne Christin beziehungsweise Christ zu sein: „In Liebe tätig zu sein, auch wenn alles andere dagegen spricht. Und darauf zu vertrauen, dass Gott es zu einem guten Ende führen wird.“

Die kirchlichen Feste im Monat November lassen die Verbundenheit mit den geliebten Mitmenschen, die uns vorausgegangen sind, besonders empfinden und eigene Lebenszeit neu bedenken. In ihren Feiern liegt die Versicherung, von „guten Mächten treu und still umgeben“ zu sein, und der neue Ernst, aneinander zu denken und den Mantel zu teilen, wie Sankt Martin das tat. Der Lichtschein an Sankt Martin und an Allerheiligen berührt: wenn Tausende Kerzen der gläubigen Erwartung Ausdruck verleihen, „dass es eine große Schar von Menschen gibt aus allen Zeiten und Völkern, deren Leben für immer und ewig geglückt" ist.

Die Solidarität und der aktive gesellschaftliche Beitrag der Kirchen sind für uns unverzichtbar

"Unsere bundesrepublikanische Gesellschaft hätte heute nicht ihre Gestalt ohne das Christentum, Evangelium und ohne den aktiven Beitrag der Kirchen": Diese Worte hat Rainer Maria Kardinal Woelki in den Tagen seiner Einführung als Erzbischof von Köln gefunden, im Sommer 2014. Staat und Kirche sind einander in der Lebenswirklichkeit der Bundesrepublik partnerschaftlich verbunden. „Wir sind Kirche in der Gesellschaft“, hat ein anderer katholischer Geistlicher bekannt, „nicht nur für die Katholiken. Und unsere Einrichtungen sind dabei ein Prüfstein für unsere Glaubwürdigkeit".

Im Juni 2021 hat eine völlig unvermutete Ankündigung des Erzbistums Köln für Entrüstung und für Zweifel gesorgt, wie solidarisch das künftige Engagement in der Gesellschaft noch gedacht werden kann: „Das Erzbistum [.] stellt bis Ende 2023 seine finanzielle Förderung von sieben Vertragsbüchereien ein […]. Ausschlaggebend hierfür sind die wachsenden finanziellen Risiken […].“ Im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis sind drei Büchereien von der Entscheidung betroffen: in Alfter, Meckenheim und Rheinbach. Die so plötzlich von der Kündigung bedrohten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren im Vorfeld nicht einmal informiert worden.

Ein Betrag in Höhe von 310.000 Euro soll jährlich eingespart werden. Gegenüber dem Generalvikar des Erzbistums von Köln und gegenüber dem Erzbischof habe ich auch von meiner Seite aus dargelegt, um wie viel mehr dagegen die Arbeit wiegt, die die Büchereien für unsere Ortschaften leisten: „indem sie die gute Information und die gute Unterhaltung ebenso wie die menschliche Begegnung eröffnen, nicht zuletzt denjenigen, für die das eine und das andere nicht ohne Weiteres zu haben ist“.

Herzlich danke ich für die tolle Unterstützung der Bürgermeister aus Alfter, Meckenheim und Rheinbach, die sich umgehend für den Erhalt der Vertragsbüchereien eingesetzt haben.

In der Niedergeschlagenheit dieser Tage hatte ich das Erzbistum gebeten, die staatliche Verantwortungsgemeinschaft nicht allein zu lassen: „Im Zusammenhalt des Landes trägt die Solidargemeinschaft eine Schuldenlast von rund 185 Milliarden Euro, die kommunale Familie in Nordrhein-Westfalen trägt rund 60 Milliarden Euro. Im Angesicht der anhaltenden Gesundheitskrise und noch mehr wegen der Folgen der Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 werden wir in der menschlichen Mitte in weiterhin außerordentlicher Weise angehalten sein, füreinander einzustehen.“

Die Antwort des Generalvikars klang leider unbeeindruckt: „Sie beschreiben sehr klar, welche Reichweite die Schuldenlast […] in die kommenden Generationen hinein hat. Es gehört zu den Aufgaben der Verantwortlichen in unserem Erzbistum für eine solide Haushaltsführung bei rückläufigen Kirchsteuereinnahmen zu sorgen. Dass dies auch Kürzungen von bisher erbrachten Leistungen erfordert, wissen Sie. […] Vielleicht können Sie kraft Ihres Mandates und der Verbundenheit im Anliegen alle Überlegungen der Verantwortlichen in den drei Kommunen unterstützen.“

Es ist sehr gut mitzuempfinden, wie sich nicht nur die unmittelbar Betroffenen, die ähnliche und zum Teil gleich lautende Auskünfte erhalten haben, brüskiert fühlen – gerade wenn zu vernehmen ist, dass das Erzbistum für den Neubau einer katholischen Hochschule in Köln sehr viel Geld in die Hand nimmt und „durch die Streuung auf verschiedenen Anlageklassen [.] die Ziele der Sicherheit, Verfügbarkeit und Rentabilität“ von Finanzanlagen verfolgt, wie es mir gegenüber beklagt wird.

Die „Lähmung überwinden und endlich wieder auf die Welt zugehen“: Aus der größeren Glaubensgemeinschaft sind viele, wie ich finde, gute, entschlossene und zukunftsgewendete Stimmen zu vernehmen. Ein Geistlicher, ein Freund des großen Theologen Romano Guardini, hat einmal bemerkt: „Die Kirche fängt mit jedem Getauften neu an. Jeder Getaufte hat es in der Gewalt, für seine Person aus der Kirche wenigstens im kleinsten und bescheidensten Maßstab etwas Schönes zu machen.“ Diese Bemerkung lässt sich unschwer in den Bereich des staatlichen Zusammenlebens übersetzten. Mit diesem Mut und dieser Zuversicht werden wir dem Erzbistum unsere Argumente jetzt erneut vorlegen – und um die persönliche Ausführung und um die Korrektur der Entscheidung bitten.