Kostenloser Nahverkehr geht nur mit erheblichen Investitionen

15.02.2018

Massiver Ausbau von Verkehrsinfrastruktur und Fuhrpark unabdingbar, Bahnstrecken in der Region bereits heute überlastet.

Zum Vorschlag der Bundesregierung, in Städten einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr anzubieten, um die Luftverschmutzung zu reduzieren, erklärt Oliver Krauß MdL, Mitglied im Verkehrsausschuss des Landtages und verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Kreistagsfraktion Rhein-Sieg:

„Die Idee der Bundesregierung sollte ernsthaft geprüft und nicht direkt zerredet werden. Dass die Bundesstadt Bonn Modellkommune für einen kostenlosen ÖPNV werden kann, ist in jedem Fall erfreulich.

Allerdings wird auch in Bonn keine „Insellösung“ ohne das Umland funktionieren. Bonn ist wie andere mögliche Modellkommunen fest in einem Verkehrsverbund verankert. Darüber hinaus sind die Verkehrsbeziehungen gerade in der Region Bonn/Rhein-Sieg so eng miteinander verflochten, dass eine rein innerstädtische Lösung nicht realisierbar ist. Dafür müssten an vielen Stationen größere Park-und-Ride-Anlagen errichtet werden, um den umsteigewilligen Bürgerinnen und Bürgern einen Zugang zum ÖPNV zu ermöglichen.

Busse und vor allem die Bahnen sind bereits heute in der Hauptverkehrszeit mehr als ausgelastet.

Um die prognostizierten Steigerungen bei den ÖPNV-Nutzern angemessen transportieren zu können, sind erhebliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und in den Fuhrpark unabdingbar. Autofahrer, die bei der Idee der Bundesregierung in erster Linie die Zielgruppe sein sollen, lassen sich vorrangig durch ein attraktives Angebot zum Wechsel motivieren. Dazu gehören ein enges Liniennetz, eine dichte Taktung, eine gute Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln durch Park-und-Ride-Plätze oder sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder an den Bahnstationen etc. Die Anzahl der Busse kann bedarfsgerecht erhöht werden, soweit die Straßeninfrastruktur das zulässt. Allerdings sind bei der Beschaffung der zusätzlich erforderlichen Fahrzeuge die europäischen Vergaberichtlinien zwingend einzuhalten.

Im Schienenverkehr müssten aber nicht nur mehr Fahrzeuge angeschafft werden, sondern vor allem freie Trassen durch den Neubau von Schienen geschaffen werden. Schon heute ist beispielsweise die linksrheinische Bahnstrecke zwischen Köln und Remagen völlig überlastet. Neben dem Personenfernverkehr und dem europäischen sowie nationalen Güterverkehr ist es daher heute nicht möglich, freie Fahrplanlagen für zusätzliche Züge im Personennahverkehr zu finden. Der Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) hat daher bereits gemeinsam mit den betroffenen Städten und Landkreisen die Machbarkeitsstudie für eine linksrheinische S-Bahn mit zusätzlichen Gleisen in Auftrag gegeben. Weitere für die Region Bonn/Rhein-Sieg wichtige Verkehrsprojekte wie die rechtsrheinische Rheinuferbahn, die S 13 oder die Elektrifizierung der Voreifelbahn (S 23) müssten beschleunigt werden. Dies betrifft insbesondere die Planungsprozesse.

Angesichts der chronischen Unterfinanzierung des öffentlichen Nahverkehrs müsste der Bund sämtliche Kosten übernehmen, die mit der Einführung eines kostenlosen ÖPNV verbunden sind. Das betrifft vornehmlich die zwingend erforderlichen Investitionen in Infrastruktur und Personal, aber auch die Verluste durch fehlende Fahrscheinverkäufe. Bei der Finanzierung müssen wir auch von den Städten lernen, in denen ein kostenloser ÖPNV eingeführt und wieder abgeschafft wurde. Durch Finanzierungsmodelle wie eine kommunale Nahverkehrsabgabe aller Bürgerinnen und Bürger oder eine Citymaut können die erforderlichen Kosten nicht refinanziert werden.“