Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Rheinbach und Swisttal

27.01.2021

Wir haben die tägliche Verantwortung, dass Herabwürdigung nicht "salonfähig" wird.

Das anhaltende Pandemiegeschehen hat in diesem Jahr 2021 nicht zugelassen, den jährlich stattfindenden Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im öffentlichen Rahmen zu begehen. Der Ehrerweis gegenüber den Mitmenschen, die in der Zeit der NS-Diktatur herabgewürdigt und denen oft mit unvorstellbarer Brutalität das Leben genommen wurde, war deshalb auch an den Gedenkstätten der Stadt Rheinbach und der Gemeinde Swisttal auf den kleinen Kreis verwiesen.

Am vergangenen Montag, 25. Januar 2021, besuchte Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner mit Oliver Krauß privat den Jüdischen Friedhof in Swisttal-Heimerzheim.

Am folgenden Dienstag fand zunächst im Rheinbacher Stadtpark und anschließend im Lichthof des Rathauses ein stilles Gedenken statt, an dem neben Bürgermeister Ludger Banken und Oliver Krauß seitens des Rhein-Sieg-Kreises Vizelandrätin Ute Krupp und zudem Peter Mohr teilnahmen. Peter Mohr hat die Stadtgeschichte und das Schicksal jüdischer Rheinbacher Familien mit genauester Sorgfalt aufgearbeitet und für das Erinnern gesichert. An dem eigentlichen Gedenktag, der in jedem Jahr am 27. Januar begangen wird – angesichts der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 –, legte Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner auf dem Jüdischen Friedhof am Heimerzheimer Dornbuschweg einen Kranz nieder.

Oliver Krauß: „Dass die Gefährdungen durch Pandemie ein öffentliches Gedenken nicht erlaubt haben, ist sehr zu bedauern. Der Gedenktag ist ein Tag des Erinnerns, der Demut und der Ehrung der Opfer. Er ist gleichfalls ein Tag der Mahnung, um die Gegenwart und die Zukunft in Verantwortung zu gestalten. Die Lebendigkeit dieser Mahnung ist vor allem auf die Einbindung der jungen Mitmenschen angewiesen, die immer weniger die Chance haben, Fragen an Zeitzeugen zu richten – die auf der anderen Seite aber die richtigen Folgerungen aus der Entmenschlichung des Nationalsozialismus ziehen müssen. Ebenso wird die wache Erinnerung getragen von dem Mithelfen der Kirchen, der Vereine, der Parteien unserer demokratischen Mitte – jeder und jedes Einzelnen. Ich bin Ludger Banken sehr verbunden, dass er das Gedenken in Rheinbach in seiner jetzigen ersten Amtszeit als Bürgermeister fortführt.“

Das gegenüber dem bundesweiten Gedenktag um einen Tag vorgezogene Erinnern in Rheinbach, am 26. Januar, gilt den drei Opfern einer Mordtat, die kurz vor Kriegsende, am 26. Januar 1945, im Stadtpark begangen wurde. Aufgezeichnet ist, dass es an jenem Freitag „minus 10 Grad“ waren. Auf Geheiß der damaligen Rheinbacher Bürgermeisters wurden die drei jungen Ukrainer Peter Spaak, Wladislaus Talzschaview und Wladislaw Dedjarew, „alle drei unter 18 Jahre“, hingerichtet. Angeschuldigt, bei Trümmeraufräumarbeiten Nichtigkeiten mitgenommen zu haben – eine Damenstrickjacke, eine Hose, ein paar Flaschen Wein –, wurden sie erhängt. Die Schemel, auf denen Sie unter dem im Baumgeäst angebrachten Galgen standen, wurden weggetreten. Rund 150 andere Zwangsarbeiter waren gezwungen, „zur Abschreckung“ zuzusehen. Nach einem zynischen Wort der Täter: „Sie sollen hängen zum Gespött“.

Oliver Krauß: „Der radikale Bruch mit der Zivilisation – Hannah Arendt hat den ‚Verwaltungsmassenmord‘ betont – vollzog sich vielfach öffentlich, wie am 26. Januar 1945 in Rheinbach. Konrad Adenauer hat daran im Februar 1946 erinnert, in einem Schreiben an Dr. Bernard Custodis, den Pfarrer an der Bonner Elisabeth-Kirche. Der spätere Bundeskanzler hält fest, dass die großen Teile der Bevölkerung „auf die nationalsozialistische Agitation eingegangen“ sind und „sich fast widerstandslos […] gleichschalten“ ließen. Wo die „Vorgänge in den Lagern“ auch nicht „in ihrem ganzen Ausmaße“ bekannt gewesen seien, habe man trotzdem gewusst, „dass die persönliche Freiheit, alle Rechtsgrundsätze, mit Füßen getreten wurden, dass in den Konzentrationslagern große Grausamkeiten verübt wurden […]. Die Judenpogrome 1933 und 1938 geschahen in aller Öffentlichkeit“.

Oliver Krauß betont, dass das Zeugnis von dieser Wirklichkeit eng verbunden bleiben muss mit dem immer neuen Bewusstwerden, wie die Entstehungsbedingungen sind und wo die frühen Anfänge liegen: „Der Historiker Joachim Fest hat auf die Zerbrechlichkeit des zivilisatorischen Lacks hingewiesen. Er hat eine Schilderung aus dem Arbeitermilieu zitiert, von unbescholtenen Polizisten, die aus diesem kommen und die beim Holocaust eingesetzt werden: „Zunächst hat der Kommandeur noch mit tränenerstickter Stimme den Befehl gegeben, Juden zu erschießen. Es dauert zwei Tage, und dann machen seine Männer es mit großem Engagement.“

Antisemitismus und Irrationalismus, „der vor unseren Parlamenten nicht haltmacht“, alarmieren zu unausgesetzter Wachsamkeit und zu Zivilcourage. „Es gibt im weiten Vorfeld des physischen Übergriffs die tagtägliche Verantwortung, das Verächtlichmachen von Mitmenschen zu unterbinden, zu verhindern, dass herabwürdigender Wortlaut ‚salonfähig‘ wird. Der Mord in Auschwitz hat 1,1 Millionen Menschen das Leben genommen. Er ist Ausdruck des Holocausts. Er steht symbolhaft für das Leid, das Menschen anderen Menschen zufügen können. Die Verantwortung fällt auf die, die es soweit gebracht haben: die Täter und Mittäter. Er ist aber ebenfalls zu verantworten von denen, die das durchgehen ließen und geschwiegen haben“, so Oliver Krauß.