Gute Politik braucht ein genaues Bild von allen Lebenslagen

08.12.2021

Unser Gemeinwesen in der Bedrängnis: Die Vertreter der NRW-Kirchen informieren sich vor Ort.

In solcher Niedergeschlagenheit „gibt es keinen Trost“: Unter dem tiefen Eindruck der Folgen, die die Unwetterkatstrophe Mitte Juli 2021 im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis verursacht hat, standen die Arbeitstreffen, die Oliver Krauß mit den beiden Vertretern der evangelischen beziehungsweise der katholischen Kirche beim Land Nordrhein-Westfalen vor Ort vereinbart hatte.

Am Dienstag, 07. Dezember 2021, kamen Dr. Antonius Hamers, der Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen (der Vertretung der Bischöfe in NRW beim Land), und Oberkirchenrat Rüdiger Schuch, der Beauftragte der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung, in den von Oliver Krauß vertretenen Landtagswahlkreis, um konkrete Betroffenheit aufzusuchen und Aufgabenstellungen aufzunehmen. Die Informationsgespräche, die die beiden Kirchenvertreter in allen Landesteilen führen, sind gute Praxis mit der Zielsetzung, individuelle Lebenssituationen immer neu kennenzulernen, um ihnen bestmöglich gerecht werden zu können.

„Die Vernichtungsgewalt der Unwetterkatastrophe und die Abstandsgebote infolge der Pandemie treffen unseren sozialen Zusammenhalt mit größter Empfindlichkeit“, verdeutlicht Oliver Krauß: „Nicht zuletzt der Grundvollzug der Diakonie, des füreinander Einstehens im kirchlichen Raum, ist in noch nicht gekannter Weise gefordert. Umso wichtiger ist die große Kraft, die von vielen in unseren Kirchengemeinden aufgebracht wird, um menschliche Verbindung aufrechtzuerhalten, neu herzustellen und niemanden alleinzulassen, der Leid erfahren hat.“

„Das hier ist ebenfalls Raum der Kirche“: Am Vormittag des 07. Dezembers besuchte Oliver Krauß, mit den beiden Geistlichen, Rüdiger Schuch und Dr. Antonius Hamers, die Öffentlichen Bücherei Sankt Matthäus in Alfter und die schwer von der Hochwasserkatastrophe getroffene Öffentliche Bücherei Sankt Martin in Rheinbach. Beide Büchereien sind sogenannte „Vertragsbüchereien“, mit anteilig geregelter Verantwortung des Erzbistums Köln und der Gemeinde Alfter beziehungsweise der Stadt Rheinbach.

„Inmitten der Gesellschaft stiften die Büchereien außerordentliche Orte der Begegnung, der guten Information und Kreativität, die nicht wegzudenken sind und jede Unterstützung verdienen“, fasste Oliver Krauß die große Übereinstimmung in beiden Gesprächskreisen zusammen: „Eine langfristige solidarische Sicherung dieses wertvollen Angebotes, das nicht zuletzt sozial schwächer gestellte Mitmenschen erreicht, ist wichtigstes Anliegen. Darüber engagieren sich die Büchereien unverzichtbar für Zufluchtsuchende. Dieses Bewusstsein ist in Alfter und Rheinbach noch einmal eindrucksvoll bestätigt worden. In diesem Sinne werde auch ich mich mit ganzer Kraft weiterhin in der kommunalen Familie und gegenüber dem Erzbistum einsetzen.“

Am Mittag trafen Oliver Krauß, Dr. Antonius Hamers und Rüdiger Schuch zu einem Informationsgespräch mit Pfarrer Albrecht Roebke zusammen, der seitens der evangelischen Kirche seit dem Jahr 2013 hauptamtlich als Notfallseelsorger im Rhein-Sieg-Kreis und in Bonn arbeitet. Darüber hinaus engagiert sich Albrecht Roebke für die Betroffenen in allen von der Hochwasserflut betroffenen Gebieten und koordiniert die seelsorgerischen Hilfestellungen. Die Unmessbarkeit des Leides setzt das Geschehene ins Unrecht, nicht die Mitmenschen, die ihm ausgeliefert sind und Urvertrauen verlieren, wurde in dem Erfahrungsaustausch deutlich.

In der Situation vorbildloser Verzweiflung wird der Zusammenhalt der Seelsorger in der Ökumene und über Glaubensgrenzen hinweg zu einer wichtigen Stütze, um Betroffene zu erreichen, die die Not isoliert. Dieses Miteinander beweist seine Kraft in kurzfristiger Verständigung und im gegenseitigen Füreinander-Eintreten. Aus ihm wird in trostloser Situation die menschenmögliche Zusage, da zu sein, beiseite zu stehen.

Persönliche Eindrücke von dem unermesslichen Leid und den schweren Schäden gewannen die Kirchenvertreter dann in einem Gespräch mit der Ortsvorsteherin von Kreuzberg (Gemeinde Altenahr), Anke Hupperich. Die große mitmenschliche Hilfsbereitschaft wurde in dem Gespräch als wichtigster Ausgangspunkt deutlich, von dem aus sich Geschicke, soweit das geht, langsam zum Besseren wenden. Erkennbare Mangelhaftigkeit öffentlicher Hilfestellung, die Ausdruck in fehlender Koordination von Rettung und Unterstützung findet, ist eine klare Aufgabenbeschreibung, für die Zukunft neu vorzusorgen.

Vor welchen Vorausforderungen gerade viele Kirchengemeinden in der Region stehen, erläuterte Pfarrer Dr. Arno-Lutz Henkel, Kooperator in der Pfarreiengemeinschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Laurentius-Kirche in Ahrweiler, in der Dr. Henkel tätig ist, wurde besonders hart von dem Hochwasser im Juli getroffen. Der Innenraum ist mittlerweile in einem Rohbauzustand, weil sämtliche Böden kontaminiert waren und herausgerissen werden mussten. Solche Bilder geben tiefe Ahnung davon, was es kostet, neue Anfangskraft zu mobilisieren, und wie unsagbar groß die Leistung von allen Beteiligten ist.

Oliver Krauß: „In unseren Ortschaften vor allem in Swisttal und in Rheinbach sowie in unseren Nachbarkreisen hat sich die Unwetterkatastrophe mit ihren Folgen tief in die Seelen gebrannt. Niemanden wird das loslassen. Das bei uns Geschehene in die größere Gemeinschaft des Landes zu vermitteln, ist Voraussetzung, um das Krisenmanagement zu verbessern, um kollektive Sicherheit neu zu denken und entstandenem Leid uneingeschränkte Sichtbarkeit zu verleihen. Rüdiger Schuch und Dr. Antonius Hamers sind deshalb gekommen und nehmen die lebendigen Eindrücke mit.

Herrn Professor Klaus Grewe und seinem Team bin ich dankbar, dass sie im Rahmen des Besuches der Kirchenvertreter eine Führung durch das Römerkanal-Informationszentrum in Rheinbach organisiert haben. Dadurch ist ein tiefer Blick in die Geschichte unserer Heimat möglich geworden, in der Pionierleistungen aufeinander folgten, in der unsere Kultur und Zivilisation Gestalt gewonnen haben, trotz bitterster Rückschläge. Die Kraft zur gegenseitigen Aufrichtung, die in unserer Gemeinschaft von so vielen jetzt eingebracht wird, gibt in der Not frischen Mut, Geschichte neu und gut zu machen.“