Im Angesicht von Krieg und Krise: „Höchste Zeit, Zukunft zu beginnen“

20.03.2023

KAS-Seminar mit Oliver Krauß in Rheinbach: „Es geht um den Mut zum nächsten Schritt.“

16. März 2023, 20 Uhr: In rund 90 fesselnden Minuten hatten die Diskussionsteilnehmenden im Rheinbacher Gründer- und Technologiezentrum (GTZ) persönliches Erleben geschildert, Schicksal ausbuchstabiert, bittere Wirklichkeit pointiert. Jetzt, in den abschließenden Statements, um die Moderator Oliver Krauß MdL sie bittet, überwiegt dennoch ein vorsichtiger Optimismus bei den Beteiligten. Diesen Optimismus können die rund 70 Zuhörerinnen und Zuhörern im GTZ als seelische Errungenschaft mitnehmen: mit dem guten Vorsatz, Zukunft jetzt und konkret anzupacken.

Abzuwägen, wie „aus Krisen unserer Zeit Chancen werden“, war Zielbild der Veranstaltung, zu der die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in die Glasstadt eingeladen hatte. Im Anschluss an ein Grußwort von Rheinbachs Bürgermeister Ludger Banken konnte Professor Dr. Martin Reuber als Tagungsleiter der KAS vier Persönlichkeiten auf dem Podium begrüßen, die eine jeweils außerordentliche Sicht auf den Wandel von Welt und Zeit haben:

Aus Altenahr war Pfarrer Jörg Meyrer von der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Laurentius gekommen. Die Gewalt der Zerstörung, die die Unwetterkatastrophe im Juli 2021 über die Menschen gebracht hat, erlebte der Seelsorger selbst in ihrer größten Entfesselung. „Zusammenhalten“ ist der Titel eines Buches, das Pfarrer Meyrer in der Folge geschrieben hat: nachdem schlagartige Verwüstung nicht mehr übrigließ als das blanke „Ich bin da“, um neue Kapitel anzufangen.

Unsere Astronauten kommen „verändert zurück“: Volker Schmid, Mastermind der astronautischen Raumfahrt und unter anderem maßgeblich für die Anteile der Bundesrepublik an den ISS-Missionen, lässt keinen Zweifel an dem Bild der verwundeten Welt aus „globaler Perspektive“. Eingriffe in den Regenwald, Flächenfraß, der Verlust an Biodiversität, die Zerstörung der Ozonschicht: „Es gibt kein Übersehen. Das ist überall. Wir müssen umsteuern, ganz klar“, alarmiert der Missionsmanager vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR).

Die Aufgaben nicht „vor uns herschieben“: Dr. Dagmar Hänel, Fachbereichsleiterin beim Landschaftsverband Rheinland mit herausragenden Qualifikationen u. a. in der Kultur-, Regional- und Zeitgeschichte, unterstreicht ebenso wie Volker Schmid die ungekannten Ausmaße krisenhafter Entwicklungen: „Sie sind so groß“ und sie kommen als persönliches Empfinden zu den einzelnen Menschen, dass der Alltag verstört ist. Die Wiederherstellung des vertrauten Alltags mit der neuen Beherrschbarkeit von immerwährenden „Egoismus“ und „Individualismus“: Es geht vor allem um das „Wir, das uns hält“, und um den „Mut“, damit Zukunft glückt.

Die Einzigartigkeit jeder und jedes Einzelnen, die menschliche Begabung, dynamisch einen Anfang zu machen: Das „darf nicht gebremst werden“, plädiert Simon Mputu Ngimbi, der im Dezember 1988 in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, geboren wurde. Simon Mputu Ngimbi hat in Sankt Augustin ein Theologiestudium abgeschlossen, er ist Promotionsstipendiat der KAS und leistet außerordentliche soziale Dienste. Eine gemeinsame Sprache haben bzw. erlernen, die Bildung suchen und Arbeitshemmnisse ausräumen, die an persönlicher Entfaltung hindern: In globalen Entgrenzungen weist das Ziel, die gemeinschaftliche Dimension menschlicher Existenz zu stärken, auf ein neues Entgegenkommen hin. Das Überwinden alter Reflexe, eine Gesellschaft „in Sicht“, die Lösung von Blockaden: Wir müssen da anpacken, wo es mangelt, die „großartigen menschlichen Potenziale“ für uns zu erwecken.

 

Nicht in alte Gewohnheit zurückfallen, sondern die Freude für Neues finden

Neu auflebende Verhaltensmuster, um die Bedrohungen „zu wissen, sie letztlich aber nicht zu glauben“, geben Pfarrer Jörg Meyrer Anlass zu großer Sorge. Nach der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2021 haben wir „geteilt, was wir hatten“. Unmittelbar nach der Flut gab es die früheren menschlichen Gegensätze nicht mehr, „aber sie entstehen jetzt wieder“. Dass Routinen des „Ich zuerst“ nicht wieder überhandnehmen, dass nicht auf die anderen gewartet wird, anstatt selbst etwas zu machen: Aus dem „Mut, den nächsten Schritt zu gehen“, wird wirklicher Aufbruch.

„Es kommt darauf an, alle Kräfte zu mobilisieren. Es ist höchste Zeit für die Zukunft. Wir wollen sie jetzt tun“, betont ebenso Volker Schmid den Ansporn, in allen Teilen der Gemeinschaft fokussiert zu sein. Und als Parallele zu Simon Mputu Ngimbi: „Wir müssen entschlacken“, weg von dem Ballast, vornehmlich in Gewohnheit zu leben. Die Elendsfaktoren der jetzigen Zeit zurückzulassen, so komplex sie sind, ist den Menschen in die Hand gegeben: „Wir sind verdammt gut darin, Krisen zu überwinden“, ermuntert Dr. Dagmar Händel aus Perspektive ihrer umfassenden Forschung.

Oliver Krauß, der als unmittelbarer Kooperationspartner der Konrad-Adenauer Stiftung - in der jetzt dritten gemeinschaftlichen Veranstaltung - nachhakte, politische Erwägungsgründe zu bedenken gab und die verschiedenen Aspekte zusammenband: „Die einzelnen Erfahrungen und Analysen haben das ehrliche Bild unserer Wirklichkeit entstehen lassen, die ungeheuer angegriffen ist. Weniger die große Vision wird fassbar, um Krieg, Not oder Klima zu wenden. Aber der Realismus, die Augenhöhe zu schaffen und sich den Herausforderungen zu stellen, wo sie sind, und sich dafür einzusetzen: Das ist ansteckend. So bestätigen es auch viele der Gäste in Rheinbach.“

Einen besonderen Rahmen für die Veranstaltung im GTZ lieferte Rudolf Bergen, der in Waldbröl, in Siegburg und im gesamten Rhein-Sieg-Kreis ein Pionier nachhaltiger Lebensweisen ist: als Mobilitäts- und Umweltmanager, als Vorausdenker von Erneuerung und Effizienz. Dass Lernen, Wendigkeit und Neubeginn keinesfalls nur auferlegte Last sind, demonstrierte Rudolf Bergen in beeindruckender Gleichzeitigkeit: Während seiner Präsentation, die die Veranstaltung im GTZ einleitete und abschloss, ließ der Verkehrswirtschaftsingenieur Jonglierbälle durch die Luft wirbeln und zeigte als Künstler, dass Vielseitigkeit nicht zuletzt Spaß verbreitet. Was Sie auch umsetzen, „Sie gestalten immer ein bisschen Zukunft“, gab Rudolf Bergen den Zuschauerinnen und Zuschauern im GTZ mit auf den Weg.