Sich mit Sankt Martin entscheiden

11.11.2024

Am 11. November feiern wir in jedem Jahr das Fest des heiligen Bischofs Martin von Tours, das Fest von Sankt Martin. Vor mittlerweile 1627 Jahren ist der Sohn eines römischen Offiziers, der im heutigen Ungarn zur Welt kam, in der Stadt Tours, die in Frankreich an der Loire und am Cher liegt, beigesetzt worden: im Jahr 397, „unter ungeheurer Anteilnahme der Bevölkerung“, wie es überliefert ist.

Sankt Martin, dem schon zu seinen Lebzeiten große Verehrung entgegengebracht wurde und der zum Nationalheiligen des Frankenreichs wurde, ist unter anderem der Schutzpatron der Schneider, der Weber, der Winzer – und nicht zuletzt der Armen und Ausgegrenzten.

In unserer Heimat – in Rheinbach zum Beispiel, in Flerzheim, in Wormersdorf oder in Merten – sind Kirchen dem heiligen Martin geweiht. In diesen Tagen gehen überall die Martinsumzüge. In den KiTas, in den Grundschulen oder zuhause haben Kinder wieder Laternen gebastelt, die oft besonders schön und einfallsreich und liebevoll ausgearbeitet sind. Sie bringen ein Licht in den November und in die Welt, das große Freude macht.

Danke an alle, die dazu beitragen, die basteln, die mitbasteln – und die dafür sorgen, dass die großartige Erzählung von der Teilung des Mantels lebendig bleibt: nicht zuletzt mit den Liedern und Weisen, die wir oft von der frühen Kindheit an kennen.

Sankt Martin ist, wie ich finde, ein immer aktueller Heiliger. Und gerade heute! Seine Tat ist eine Tat im Jetzt. Sankt Martin war Soldat „wider Willen“. Der Mantel, den er geteilt hat, war nicht (ganz) sein eigener, sondern (auch) Besitztum des römischen Militärs. Es ist das einzige Mal, dass Sankt Martin sein Schwert gebraucht. Sankt Martin zögert nicht. Es geht um den Augenblick.

„O, helft mir doch in meiner Not, / sonst ist der bittere Frost mein Tod", heißt es in dem vielleicht bekanntesten Lied bei uns. Das ist absolut akut. Sterben? Oder leben?  Und dann: „Sankt Martin zog die Zügel an, / sein Ross stand still beim armen Mann.“ Wie lange dauert das, die Zügel anzuziehen? „Sankt Martin mit dem Schwerte teilt / den warmen Mantel unverweilt.“ Und wie lange dauert die Zweiteilung des Mantels? Beides geht jetzt: mit der Entschlusskraft, mit der Tat.

Haben wird diese Möglichkeit fest im Blick. Nur wir als Menschen vermögen es, auf diese Art frei hinzusehen, zu wählen, einzuschreiten – und in der letzten Konsequenz am kommenden Morgen anders zu leben, als es bisher als richtig erschien. Damit lässt sich vieles bewegen. Auch im Angesicht von Entwicklungen, die zu großer Sorge Anlass geben und die Ohnmachtsgefühle auslösen, ist diese Kraft intakt: selbst zu entscheiden, Einfluss zu nehmen, und zwar heute, hier.

Wenn gesagt wird, dass ein geteiltes Leid ein „halbes Leid“ ist, dann ist ein Umkehrschluss nicht zu gewagt, dass das geteilte Gute auch zu einem doppelten Guten wird. Die Erzählung von Sankt Martin ermuntert, sich die Chance vor Augen zu halten, selbst etwas positiv zu verändern – und sich mit Sankt Martin zu entscheiden. Daraus wird neue Kraft. Es entsteht der Optimismus, dass etwas geht. „Sankt Martin ritt mit leichtem Mut“ … .